top of page

"Man muss die Leute gewähren lassen" - Josef Stemplingers Erfolgsrezept für eine engagierte und von

Burghausen. „Türen öffnen ist wichtiger als Barrieren aufbau­en", charakterisiert Pfarrer Josef Stemplinger die Seelsorge und seine Vorstellung über die Auf­gabe der Kirche. Stemplinger ge­hört zu jenen Priestern, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Erneuerung der Ka­tholischen Kirche mitgetragen und sie vorangetrieben haben. Ein Kerngedanke war damals, den Gottesdienst in Landesspra­che zu halten, zugleich wurden Volksaltäre eingerichtet. Die Li­turgie sollte für die Menschen da sein und nicht mehr umgekehrt.

Wenn Josef Stemplinger zu­rückblickt auf seine nun bald 40-jährige Arbeit als Priester, so sieht er gern zurück. Vor allem deshalb, weil es ihm gelungen ist, in der erst 1959 von seinem Vorgänger Franz Egerndorfer gegründeten Pfarrei Zu unserer Lieben Frau eine so lebendige Gemeinde zu schaffen, in der viele engagierte Christen mitar­beiten. Das wiederum liegt vor allem an Stemplinger. „Wir Kle­riker haben kein Sonderdasein", sagt er. Es ist die persönliche Be­scheidenheit, seine bodenstän­dige und aufrichtige Art, mit der Stemplinger Menschen beein­druckt und von seinem Tun und der Kirche überzeugt. Stemplin­ger ist ein Mann des Volkes, ver­steht die Leute und ihre Anlie­gen und kümmert sich um sie. Analog dazu fährt er in seiner Analyse fort: „Priester ist man nicht wegen eines schönen Messgewands, sondern die Auf­gabe ist, die Menschen im Got­tesdienst mitzunehmen, sie zu erreichen."

Geboren wurde er 1946 in Kramersdorf, das heute zur Stadt Hauzenberg gehört. Er kommt aus einem Bauernhof, hat noch einen Bruder und eine Schwester. „Eigentlich war der Zug schon abgefahren", erinnert er sich, wie er ins Gymnasium kam. Das neue Schuljahr hatte bereits angefangen, als der Bub durch eine glückliche Fügung doch noch aufs Gymnasium nach Passau kam. Zum einen setzte sich ein Lehrer für ihn ein und zum anderen wurde kurz­fristig noch ein Platz im Seminar St. Max frei. „Damals waren wir im Seminar 71 Schüler der ers­ten Klasse", erzählt er. Bis zum Abitur schrumpfte die Zahl auf 17.

Das Leben im Seminar, die dort erfahrene Gemeinschaft und gegenseitige Hilfsbereit­schaft prägte Stemplinger, weck­te in ihm den Wunsch, Priester zu werden. „Wenngleich mir schon auch junge Mädchen gefallen haben, entschied mich für die Seelsorge und ein zölibatäres Leben", erzählt er. Die Ent­scheidung dazu reifte im Pries­terseminar, als er im Seminar St. Valentin schon Dienste als Hilfspräfekt leistete. „Da habe ich die Jugendarbeit gelernt, es war eine schöne Zeit. Mit die­sem Wissen ist es mir dann viel einfacher gefallen, als Kaplan in Waldkirchen eine Pfadfinder­gruppe aufzubauen. Da habe ich Zeltlager mit bis zu hundert Teil­nehmern organisiert", erinnert sich Stemplinger.

Sechs Jahre war er in Waldkir­chen. Wegen seiner guten Ju­gendarbeit war er der Mann, als die Diözese 1980 einen neuen Leiter des Seminars St. Altmann in Burghausen brauchte. Zehn Jahre lang war Stemplinger hier tätig, konnte das Rad er Zeit aber auch nicht aufhalten: „Als ich anfing, hatte wir 80 Semina­risten, am Ende waren es nur noch 17." Den Niedergang der Seminare erklärt Stemplinger so: „Die Zahl der Gymnasien hat zugenommen, damit war eine Unterkunftsmöglichkeit am Schulort immer weniger gefragt. Zudem hatte die Jugend ein neues Lebensgefühl erfasst, ein Seminar wurde als einengender Panzer gesehen."

Als das Seminar 1990 aufge­löst und zugleich die Pfarrerstelle in Liebfrauen ausgeschrieben wurde, bewarb sich Stemplinger dafür - und musste gleich eine harte Erfahrung machen. Eine Pfarrei zu leiten hat auch seine Tücken. Vor allem mit bürokra­tischen' Hindernissen konnte sich Josef Stemplinger nie an­freunden. „Gerade am Anfang war es schwer, weil ich noch nicht im Pfarrhof wohnte", erinnert er sich. Doch dann über die Jahre hin gefiel ihm die Arbeit hier offenbar sehr gut. Denn er hielt seiner Pfarrei die Treue bis zum Ruhestand.

Auf die Frage, wie er die Situation der Kirche sieht, antwortet Stemplinger: „Der jetzige Papst und was er sagt macht mir sehr viel Mut.“ Zur Seite hat Stemplinger in Liebfrauen einen engagierten Kreis von Laien. Die Pfarrei hat zum Beispiel längst keinen Hausmeister mehr. Das machen Ehrenamtliche und die Arbeiten klappen hervorragend, Es ist ein regelrechtes Netzwerk rund um den Pfarrgemeinderat, das für eine lebendige Pfarrgemeinde steht. Und Stemplinger gibt seinen „Schäfchen" wo immer möglich Freiraum. „Man muss die Leute gewähren lassen, das sind mündige Christen", be­tont er.

Wenn Stemplinger nach dem August in Ruhestand tritt, hat er Zeit für Dinge, die bisher zu kurz gekommen sind. „Ich will öfter Bergwandern", sagt er. Seit Jahren hält er sich mit regelmäßigem Programm am Heimtrainer fit. Garteln, das schätzte Stemp­linger schon bisher als Ausgleich für hektische Momente. Und dem Garten und seiner Liebe zu Rosen wird er auch weiter die Treue halten - im Übrigen auch der „Mutter Kirche". Erst einmal will er sich, wie auch der ebenfalls in Ruhestand tretend! Franz Aicher, zurückhalten, um dem gemeinsamen Nachfolger Erwin Jaindl den Start zu er leichtern. „Doch wenn ich später als Aushilfe gebraucht werde, helfe ich natürlich gern", so Stemplinger.

(Rainer Wetzl, PNP vom 24.06.2014)

Stemplinger.png

Featured Posts
Recent Posts
Search By Tags
Noch keine Tags.
Follow Us
  • Facebook Classic
  • xing.jpg
bottom of page