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Seminar - eine billige oder teure Angelegenheit

Über Geld spricht man nicht; man hat es - und steckt es in die Seminarien! Das bekannte Motto läßt sich, in dieser Form abgewandelt, auf die Bischöfliche Finanzkammer übertragen, die über Jahrzehnte hinweg beträchtlich mehr in unser Seminar investiert hat, als es selber je "erwirtschaften" konnte. Das verdient den ehrlichen Dank aller Seminaristen, ihrer Eltern und des Seminars insgesamt. In den Dank miteingeschlossen sind die für das Finanzwesen der Diözese Verantwortlichen genauso wie ungezählte Spender, die etwa bei der 3-mal jährlich üblichen Sonntagskollekte für die Seminarien großherzig zur Unterstützung beigetragen haben.

 

Dankbar sei auch auf die Eltern der Seminaristen verwiesen, die oft unter großen Opfern das fähige Kostgeld an das Seminar entrichteten. Nicht zu allen Zeiten und nicht jedem brachte das "Bafög" eine spürbare Unterstützung, so daß der jeweilige Kostgeldsatz für das Budget vieler Familien eine einschneidende Belastung darstellte.

 

Interessant ist überhaupt die Entwicklung des Kostgeldbetrags zwischen 1956 und 1990. Im ersten Schuljahr 1956/57 erhielt das Seminar pro Zögling durchschnittlich 271 DM (= 22,58 DM monatlich im Schnitt). Die tatsächlichen Ausgaben für einen Zögling lagen damals bei 835 DM jährlich; die Diözese mußte also 564 DM pro Mann zuschießen. 1958/59 war die Bischöfliche Finanzkammer 574 DM pro Seminarist "schuldig", die Eltern trugen bereits 453 DM im Jahr (37,35 DM im Monat) zum Gesamtaufwand von 1027 DM pro Kopf bei.

 

An Hand noch vorhandener Kostgeldlisten lassen sich im Einzelnen folgende Kostgeldsätze nachweisen:

 

für     1959/60                                    25 -  75 DM

ab 1960/61                                    35 - 100 DM

1965/66                                    70 - 150 DM

1971/72                                           250 DM

1975/76                                           300 DM
1977/78                                           350 DM

1979/80                                           400 DM

1982                                               450 DM

1985/86                                           500 DM

1988/89                                           550 DM

 

Natürlich gab es (z.T. beträchtliche) Ermäßigungen, vor allem in Notzeiten wie 1919/20, als bei 201 Passauer Seminaristen nur für 9 der volle Kostgeldsatz bezahlt wurde; 180 konnten sich über eine Ermäßigung und 12 über einen Freiplatz im Seminar freuen. Im Burghauser Seminar Sankt Joseph waren im gleichen Schuljahr gar 20 von 74 Zöglingen vom Kostgeld befreit, in 48 Fällen wurde Ermäßigung gewährt, und ganze 6 zahlten in voller Höhe.

 

Kostgeldermäßigung war auch in Sankt Altmann bis weit in die 60er Jahre hinein die Regel; neben dem monatlich zu leistenden Kostgeld (ab 25 DM aufwärts) wurden jährlich 10, später 20 DM Möbelgeld kassiert. Das jährliche Haushaltsvolumen lag bis 1962 unter 100.000 DM; die Bilanzen waren ausgeglichen oder hatten teilweise beträchtliche Gewinne zu verzeichnen, was auch Lob von höchster Stehe einbrachte. "Dem Hochw. Herrn Direktor wird der oberhirtliche Dank für die saubere und übersichtliche Rechnungsführung ausgesprochen und Entlastung erteilt. Den ehrwürdigen Schwestern und dem Hauspersonal wolle für die treue Mitarbeit der Dank der Diözese ausgesprochen werden." (Schreiben des Bischöflichen Ordinariats Passau vom 25. Juli 1959 zur Jahresrechnung 1958/59).

 

In den letzten 10 Jahren wurden kaum mehr Kostgeldermäßigungen erbeten; zum einen hatten die Eltern den Vorteil, auf Grund der Seminarunterbringung ihres Sohnes Ausbildungsbeihilfe (Bafög) beantragen zu können, zum anderen spielten finanzielle Überlegungen bei einem Seminareintritt kaum mehr eine Rohe; die weiterführende Schulbildung war längst keine Frage des Geldbeutels mehr.

 

Aber trotz kontinuierlich gestiegener Kostgeldsätze und obwohl alle Eltern das volle Kostgeld zahlten, begann (hervorgerufen u.a. durch höhere Personalkosten) die Spanne zwischen Einnahmen und Ausgaben immerweiter auseinanderzuklaffen. Bis zu zwei Drittel betrug in einem Haushaltsjahr der Zuschuß der Diözese, der nötig war, um die Ausgaben abzudecken. Umgerechnet auf den einzelnen Seminaristen bedeutete dies, daß der kirchliche Geldgeber über den Daumen gepeilt einen ähnlich hohen Betrag, wie ihn die Eltern für ihren Sohn zahlten, dazulegen mußte. Im letzten vollen Rechnungsjahr 1989 "kostete" ein Seminarplatz über 11.700 DM, wovon 6.600 DM durch das Kostgeld abgedeckt waren.

 

Dennoch - diese für jeden wirtschaftlich denkenden Menschen alarmierenden Defizite spielten bei der Frage, ob das Seminar Sankt Altmann weiterbestehen kann, nie eine Rolle. Ich deute dieses Faktum ausschließlich positiv im Hinblick auf das dem Seminar ureigene Ziel, die Sorge um geistliche Berufe; dafür sind in der Tat alle menschenmöglichen Anstrengungen gerechtfertigt. Natürlich konnten und können die weitaus meisten Seminaristen der eigentlichen Intention des Seminars nicht entsprechen. Mit umso mehr Respekt ist das finanzielle Engagement der Kirche in der christlichen Erziehung der jungen Menschen überhaupt zu würdigen.

 

So bleibt dem letzten Direktor von Sankt Altmann ein herzliches Vergelt's Gott für alle materielle und ideelle Unterstützung - dafür auch, daß man in Passau dem doch "etwas fernen" Burghausen stets mit Wohlwollen und Vertrauen begegnete!

 

(Josef Stemplinger, Seminar - eine billige oder teure Angelegenheit, in: Bischöfliches Studienseminar St. Altmann Burghausen 1956-1990, 1990, 80-82)

 

 

Seminar St. Altmann, Bischöfliches Studienseminar St. Altmann
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