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Das Bischöfliche Seminar

in Burghausen

1890 - 1920 und 1956 - 1990

Im Jahr 1956 erwarb schließlich die Diözese Passau das Haus und richtete darin ein Bischöfliches Studienseminar St. Altmann ein. Die hier untergebrachten Schüler des Gymnasiums sollten eine christliche Formung erfahren. Einige fanden den Weg in den kirchlichen Dienst als Priester und Laien. Mit zunehmendem Ausbau des öffentlichen Verkehrsliniennetzes sank die Zahl der Seminaristen, wodurch das Haus im Jahr 1990 geschlossen werden musste.
 
Genau 100 Jahre nach der Eröffnung des ersten Bischöflichen Seminars in Burghausen schließt das Seminar Sankt Altmann seine Pforten. 100 Jahre wären unter gewöhnlichen Umständen ein Anlaß zum Feiern. Nachdem aber das Bischöfliche Seminar in seinem ersten Stadium nur 30 Jahre und bei seinem zweiten Anlauf gerade vier Jahre länger Bestand hatte, dazwischen eine etwa gleich lange seminarlose Zeit lag, und weil sowohl 1920 als auch 1990 viele die Schließung des Seminars schmerzlich berührt hatte und wieder berührt, ist nicht so sehr Jubiläumsstimmung angesagt als vielmehr eine kurze Rückschau, die sich mit der Würdigung weniger wichtiger Daten und Fakten zufrieden geben muß.
 

Eigentlich führt uns die Burghauser Seminargeschichte sogar ins 18. Jahrhundert zurück. Um 1730 nämlich wird in den Urkunden ein sogenanntes "Kleines Seminar" erwähnt, dem der heilige Karl Borromäus als Patron gegeben worden war. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) versuchten die Zisterzienser von Raitenhaslach Seminar (und Gymnasium) weiterzuführen, doch schon 1779 folgte die endgültige Auflösung dieses ersten Seminars in Burghausen. Knapp hundert Jahre später (1877) wurde in Burghausen ein "Königliches Studienseminar" ins Leben gerufen, das freilich als staatliches Internat, wenngleich lange Jahre von Geistlichen geleitet, nicht die Heranbildung künftiger Priester als primäre Aufgabe hatte.

 

Jahrzehnte zuvor schon - wohl um die Mitte des 19. Jahrhunderts - wurde in Burghausen die Idee von einem "Bischöflichen Knabenseminar'' geboren; 1857 wandte sich der damalige Stadtmagistrat an Bischof Heimich von Hofstätter in Passau mit der Bitte, in Burghausen ein Seminar zu errichten. Eine in jenen Jahrzehnten sehr schwach frequentierte Lateinschule ließ verständlicherweise die Gründung eines Knabenseminars als wenig sinnvoll erscheinen. Das änderte sich 1872, als die Lateinschule wieder zum Gymnasium erhoben wurde; und so erhofften sich die Stadtväter mehr Erfolg, als sie ihre Bitte um Eröffnung eines Seminars erneut Bischof Joseph Franz von Weckert vortrugen. Aber erst dessen Nachfolger, Bischof Antonius von Thoma, packte 1889 in der Sorge um den Priesternachwuchs dasVorhaben der Seminargründung energisch an. Bischof Antonius handelte in der Erwartung, daß aus dem oberbayerischen Teil des Bistums, dem "Oberland", mehr Priester hervorgehen würden, wenn Studienanstalt und Seminar "vor der Haustür" lägen und nicht "am anderen Ende" des Bistums. Der Bischof konnte bei seinem Vorhaben fest mit der Unterstützung durch den Stadtrat von Burghausen rechnen, vor allem Bürgermeister Wilhelm Seitz trug tatkräftig zur Verwirklichung des lang gehegten Planes bei. In der Nachbarschaft von Studienkirche und Gymnasium war schnell ein idealer Bauplatz für das Seminar gefunden, weil gerade um jene Zeit der Privatier Johann Antersberger das Haus Nr. 87 und der Bierbrauer Simon Putz das Haus Nr. 89 (mit Tanzsaal, Kegelbahn, Biergarten, Wagen- und Heuremise) zum Kauf anboten. Zwar dachte man auch an den Erwerb der Malteserkaserne, doch war noch nicht abzusehen, wann das dort untergebrachte Bataillon nach Regensburg bzw. Straubing verlegt würde. Schließlich stand auch das Amtsgerichtsgefängnis samt anliegenden Gärtneranwesen zur Debatte; man entschied sich allerdings rasch für den erstgenannten "Standort".

 
Nun stand noch die Genehmigung seitens des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren aus. Bischof Antonius von Thoma richtete am 20. Februar 1890 die entsprechende Anfrage an die zuständige Abteilung für Kirchen- und Schulangelegenheiten, und schon am 8. März 1890 teilte das Ministerium mit, daß der Verweser des Königreichs Bayern, Prinz Luitpold, die Errichtung eines Knabenseminars in Burghausen genehmigt habe. Nach günstigem Verlauf weiterer Vorverhandlungen machte am 20. März 1890 der Generalvikar von Passau dem Klerus der Diözese Mitteilung von dem geplanten Vorhaben und erbat gleichzeitig die Unterstützung von Klerus und Volk für den Umbau der Gebäude, die am 28. April 1890 für 36000 Mark gekauft wurden. Im Mai 1890 begann man mit den Bauarbeiten; in Haus Nr. 87 wurden die Küche sowie die Räume für das weibliche Dienstpersonal und zur alljährlichen Aufnahme des H.H.Bischofs eingerichtet, Haus Nr. 89 wurde zum eigentlichen Seminar ausgebaut. Einen Teil des benötigten Mobiliars konnten die Passauer Seminarien zur Verfügung stellen, ansonsten waren hiesige Firmen und Geschäfte mit den Baumaßnahmen und der Einrichtung betraut.
 
Der neue Bischof von Passau, Michael von Rampf (sein Vorgänger hatte ihm das Seminar eindringlich ans Herz gelegt!), besichtigte bereits zehn Tage nach seiner Konsekration und Inthronisation (11. Mai 1890) anläßlich der Firmung in Burghausen die künftigen Seminargebäude und ordnete deren weiteren Umbau an. Wie schon erwähnt leisteten dabei die städtischen Behörden wirksame Hilfe; die Stadt verpflichtete sich, dem Seminar unentgeltlich das notwendige Wasser aus der städtischen Wasserleitung zu hefern, die Planierungs- und Kanalisierungsarbeiten zu übernehmen, sowie die erforderlichen Böschungen und Umfriedungsmauern anzulegen und zu errichten bzw. zu unterhalten.
 
Innerhalb weniger Monate waren die Umbauarbeiten so weit fortgeschritten, daß das Seminar mit Beginn des Schuljahres 1890/91 eröffnet werden konnte. Am 22. September 1890 nahm Bischof Michael von Rampf die Weihe des neuen Seminars vor und gab ihm den heiligen Joseph als Schutzpatron. Mit zunächst 40 Zöglingen begann am 30. September 1890 der "Seminarbetrieb", 23 davon waren bisher in den Passauer Seminarien gewesen.
 
Schon am 11. Juli 1890 war der als Beichtvater und Katechet im Englischen Institut zu Burghausen tätige Priester Peter Eder zum ersten Regens (so hieß damals der Direktor!) des neuen Seminars Sankt Joseph ernannt worden. Seine Nachfolger waren Max Niederhuber (1904 - 1910), Ferdinand Ranzinger (1910 - 1919) und Kaspar Kellner (11.1. - 24.8.1920). Als Präfekten wirkten (teils zwei zu gleicher Zeit, teils nur einer): Lothar Wittmann (1890 -95), Georg Romig (1893 - 96), Max Wittmann (1895 - 97), Josef Dangl (1896 -1904), Max Niederhuber (1897 - 1904), Franz Ritzer (1904 - 06), Kaspar Kellner (1906 - 10, der spätere letzte Regens!), Karl Stemplinger (1908 - 09), Josef Kreilinger (1909 - 13), Max Mitterer (1911 - 15), Johann Reisinger (1913 - 15), Josef Binder (1916), Friedrich Oberneder (1917 - 19 und 1920) und Franz Hartl (1919 - 20).
 
Das Seminar Sankt Joseph nahm eine günstige Entwicklung. 1892/93 wurde der Ausbau fortgesetzt und vollendet, so daß das Gebäude schließlich Platz für 80 Studenten bot. Jederzeit lebte das Seminar im besten Einvernehmen mit dem Lehrerkollegium am Gymnasium, mit den staatlichen Behörden und auch mit der Burghauser Bürgerschaft. Vor allem konnte das jüngste Seminar des Bistums Jahr für Jahr eine Anzahl von Absolventen nach Passau ins dortige Priesterseminar Sankt Stephan schicken und somit die eigentliche Hoffnung erfüllen, die man ins Seminar gesetzt hatte. Wie ein schrecklicher Blitz fuhr daher im Juni 1920 die plötzliche Nachricht durch die Diözese, daß sich das Bischöfliche Ordinariat genötigt sehe, mit Abschluß des laufenden Schuljahres das Bischöfliche Knabenseminar Sankt Joseph in Burghausen aufzulassen und seine Zöglinge zum weiteren Verbleib an die Knabenseminarien Sankt Max und Sankt Valentin in Passau zu verweisen. Der Erste Weltkrieg hatte jene große Teuerung eingeleitet, die in den "Friedens"-Jahren 1919 und 1920 die Betriebskosten des Seminars in Höhen emporschnellen Heß, daß sie von der Diözese offensichtlich nicht mehr zu bewältigen waren. Zugleich fiel für Sankt Joseph nachteilig ins Gewicht, daß das Seminar Sankt Valentin in Passau infolge des Krieges nur mehr schwach besetzt war. Diese beiden Hauptargumente und einige weniger wichtige, nicht genannte Gründe gaben den Ausschlag, das Seminar so abrupt zu schließen - und das trotz Vollbesetzung des Hauses (72 Seminaristen zählte Sankt Joseph in seinem letzten Jahr, 60 von ihnen traten notgedrungen in die Passauer Seminarien über). Am 20. Juni 1920 wurde das Seminar Sankt Joseph samt dem verbliebenen, nicht nach Passau übernommenen Inventar, für 350.000 DM Inflationsgeld an die Salesianer verkauft; das erste Kapitel des Bischöflichen Seminars in Burghausen hatte ein unerwartetes und von vielen nicht verstandenes Ende gefunden.
 
Die Diözese Passau freilich sollte bald spüren, wie die Zahl der geistlichen Berufe aus dem Oberland zurückging. Noch war die Zeit nicht gekommen, da überall auf dem "flachen Land" die Gymnasien nur so aus dem Boden schössen. Und so wurden schon in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen Stimmen laut, man solle in Burghausen wieder ein Seminar errichten, wenn es auch Opfer koste. Vielen Geistlichen in der Stadt Burghausen und im Oberland ist es zu danken, daß die Seminaridee nicht aus dem Bewußtsein schwand. Vor allem Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB setzte sich dafür ein, daß eine allseits als Fehler erkannte Maßnahme wieder korrigiert wurde. Zunächst allerdings standen die Chancen dazu nicht sonderlich gut; ein vollständiger Seminarneubau kam angesichts der angespannten Finanzlage der Diözese Passau nicht in Frage. Andrerseits waren die Kapazitäten in den Passauer Seminarien restlos ausgeschöpft, so daß der Direktor von Sankt Max, Robert Bauer, 1955 sogar 20 Schüler in die erste Gymnasialklasse nach Burghausen vermitteln mußte, von denen 8 bzw 4 in den Seminarien der Salesianer und Kapuziner untergebracht wurden und der Rest Fahrschüler machen mußte. Bei diesem (heute) unvorstellbarer Bedarf an Seminarplätzen und der damaligen allgemeinen Aufgeschlossenheit für die Seminarerziehung muß man es fast als glückliche Fügung werten, daß die Stadt Burghausen 1954 ein neues Krankenhaus zu bauen begann, und so das Bischöfliche Ordinariat Passau am 5. Juli desselben Jahres bei der Stadtverwaltung in Burghausen sein Interesse am Erwerb des alten Krankenhauses (Spitals) anmelden konnte.
 
Ein knappes Jahr später (am 25. Juni 1955) trafen sich Generalvikar Dr. Riemer und Prälat Dr. Poxrucker einerseits und der 1. Bürgermeister Schenk und Stadtkämmerer Lehr von Burghausen andrerseits zu ersten entscheidenden Gesprächen. Schließlich einigte man sich auf einen Kaufpreis von 300.000 DM. Mit der Verbriefung am 7. Oktober 1955 ging das alte Krankenhaus mit der schönen Heilig-Geist-Kirche in das Eigentum dei Knabenseminarstiftung Passau über. Die Stadt hatte sich verpflichtet, das Haus bis zum 1. März 1956 zu räumen, damit die erforderlichen Umbauten rechtzeitig begonnen und abgeschlossen und die Neueinrichtung des Gebäudes als Seminar erfolgen könnten. Freilich ging nicht alles so reibungslos und planmäßig vonstatten; oft genug mußte Geistlicher Rat Otto Krenböck - er war Seelsorger im Spital gewesen und leitete die "Geschäfte" bis zum Amtsantritt des neuen Direktors - den Gang der Dinge vorantreiben] Manche Detailverhandlungen zwischen Stadt und Diözese zogen sich trotz besten Einvernehmens und Bemühens aller Beteiligten hin, die für den Baufortgang gesetzten Fristen ließen sich nicht wie geplant einhalten und neben einem für damalige Verhältnisse immensen Bauaufwand von über 400.000 Mark kostete die Umfunktionierung des ehemaligen Spitals in das Seminar Sankt Altmann viel menschliche Mühe und Anstrengung.
 
Mitten in diesen Anfangsschwierigkeiten wurde der Stadtpfarrkooperator von Altötting, Franz Lindemann, am 1. Juli 1956 zum ersten Direktor des Seminars bestellt. Und als zu Beginn des Schuljahres 1956/57 die ersten 55 Seminaristen in Sankt Altmann Einzug hielten, unterzogen sie das Haus einem wirklichen "Tauglichkeitstest". Die alte Weisheit: "Aller Anfang ist schwer!" bewahrheitete sich auch im Seminar Sankt Altmann. Die Verantwortlichen hatten es schwer in jenen Anfangsjahren, in einem noch nicht eingespielten Seminarbetrieb ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Dienst an den ihnen anvertrauten jungen Menschen gerecht zu werden. Die baulichen Gegebenheiten waren doch nicht so uneingeschränkt ideal, wie es der erste Augenschein vermuten ließ. Der Speisesaal war noch nicht fertiggestellt, als bereits die Seminaristen im Haus waren, und selbst ein ausreichend gedeckter Tisch war keine Selbstverständlichkeit. Dies belegt ein Brief des Generalvikars Dr. Riemer, in dem er dem Seminar in Absprache mit dem Diözesancaritasverband die Erlaubnis zu einer Lebensmittelsammlung (Getreide, Obst, Kartoffeln) in den Pfarreien der Dekanate Burghausen, Neuötting, Hirschhorn, Zimmern und Kirchberg am Inn erteilt. Als Gegenleistung für solche Naturalabgaben an das Seminar erwarteten manche Pfarrer, daß der Präfekt fleißig zur Seelsorgsaushilfe zur Verfügung stand.
 
Dennoch - das Bischöfliche Seminar in Burghausen hatte zum zweiten Mal einen hoffnungsvollen Anfang genommen. Ein wesentliches Stück ist das sicher dem Patron des Seminars zu verdanken, dem mutigen Passauer Bischof Altmann (1015 - 91), unter dessen Schutz das Haus bereits am 11. Mai 1956 gestellt worden war. Sein Nachfolger auf dem Passauer Bischofsstuhl, Simon Konrad Landersdorfer, erteilte dem Seminar am 26. November 1956 die kirchliche Weihe und übergab damit das neue Seminar offiziell seiner Bestimmung.
 
Die weiteren Direktoren des Seminars - Alois Doppelberger (1959 - 72) und Walter Wakenhut (1972 - 80) haben die räumlichen Gegebenheiten des Seminars vor allem durch den Bau des Festsaales und den Ausbau der Dachgeschosse stark verbessert und verschönert. Bis zu 120 Schüler beherbergte das Seminar in seinen besten Zeiten (1967/68), über 500 Seminaristen fanden in 34 Jahren reichlich Gelegenheit, ihre geistigen, musischen und sportlichen Fähigkeiten zu entfalten. Dies ist neben den Direktoren in erster Lüne den geistlichen Präfekten zu danken, die als 'Einzelkämpfer" meist ein schweres Amt hatten; nur zwischen 1965 und 1971 waren je zwei geistliche Präfekten gleichzeitig eingesetzt. Ab 1970 "brachen" für 10 Jahre lang vier Präfektinnen in die vordem als Männerdomäne geltende Seminarerziehung ein, was vor allem den jüngeren Seminaristen zugute kam. Ebenfalls vier Präfekten kümmerten sich seit 1956 vornehmlich um das musische Element; so wurden Musik und Gesang oftmals zu einem prägenden Faktum im Seminarleben. Während der letzten 8 Jahre hatten infolge des Priestermangels vier Laien den Präfektendienst übernommen und genauso wie ihre geistlichen Vorgänger ihr Bestes gegeben.
 
Alle Versuche des Seminars Sankt Altmann in den letzten Jahren, attraktiv zu bleiben für junge Menschen, haben nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Zeit des Seminars scheint vorbei zu sein - das belegt die Tatsache, daß viele kirchliche, klösterliche und freie Internate die gleiche Entscheidung wie Sankt Altmann treffen mußten und müssen. Wer gerade die letzten 34 Jahre Bischöfliches Seminar in Burghausen bilanzieren möchte, sollte dabei kaufmännische Akribie beiseite lassen, sondern dankbar Abschied nehmen -vor allem im Blick auf die vielen Menschen, die nicht zuletzt im und durch das Seminar "etwas geworden sind".
 
(Josef Stemplinger, das bischöfliche Seminar in Burghausen, in: Bischöfliches Studienseminar St. Altmann Burghausen 1956-1990, 1990, 28-35
 
 
Seminare in Burghausen - ein Rückblick von Clemens Cammerer zum 25jährigen Jubiläum des könglich-humanistischen Gymnsiums in Burghausen 1896/97

 

Seminar St. Altmann, Bischöfliches Studienseminar St. Altmann
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